BAG bestärkt Zulässigkeit von Höchstbeträgen für Sozialplanabfindungen. Aber: Keine Geltung für Klageverzichtsprämien | Re.Work | GÖRG Blog

BAG bestärkt Zulässigkeit von Höchstbeträgen für Sozialplanabfindungen. Aber: Keine Geltung für Klageverzichtsprämien

Wird eine Sozialplanabfindung auf einen Höchstbetrag begrenzt, betrifft die Deckelung häufig fast ausschließlich ältere Arbeitnehmer mit typischerweise besonders hohen Abfindungen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Abfindung auch von der Betriebszugehörigkeit abhängt, die wiederum regelmäßig mit einem entsprechend hohen Lebensalter einhergeht. Vor diesem Hintergrund lässt sich zumindest eine mittelbare Benachteiligung älterer Arbeitnehmer nicht von der Hand weisen. Daraus folgt nach jüngerer Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urt. v. 07.12.2021 - 1 AZR 562/20) jedoch nicht zwingend eine unzulässige Altersdiskriminierung. Für die Praxis gibt dies Rechtssicherheit. Gleichzeitig hat das BAG unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung klargestellt, dass Klageverzichtsprämien aus dem für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen finanziert werden können. Von einer im Sozialplan vereinbarten Deckelung werden Klageverzichtsprämien allerdings nicht erfasst. Auch dies hat das BAG nunmehr entschieden.

Sachverhalt

In dem zugrundeliegenden Fall schloss die beklagte Arbeitgeberin aufgrund einer bevorstehenden Betriebsstilllegung einen Sozialplan mit dem Betriebsrat, der u.a. die Zahlung einer Abfindung an die von einer betriebsbedingten Kündigung betroffenen Arbeitnehmer vorsah. Die Grundabfindung berechnete sich dabei nach der Formel „Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatsentgelt x [einem nach Altersgruppen steigenden] Faktor“. Hinzu kamen zusätzliche Pauschalen für Schwerbehinderung, Gleichstellung und unterhaltsberechtigte Kinder. Die Gesamtabfindung wurde wiederum auf einen Höchstbetrag von 75.000 EUR pro Arbeitnehmer gedeckelt. Neben dem Sozialplan schlossen die Betriebsparteien zudem eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“. Diese sicherte den von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmern bei Klageverzicht eine zusätzliche Prämie durch Erhöhung des Sozialplanfaktors um weitere 0,25 zu.

Nach Ausspruch der betriebsbedingten Kündigung zahlte die Beklagte dem Kläger auf dieser Basis und nach Verzicht auf eine Kündigungsschutzklage eine – auf den Höchstbetrag gedeckelte - Gesamtabfindung iHv. 75.000 EUR, die sowohl die Sozialplanabfindung als auch die Klageverzichtsprämie umfasste. Der fast sechzig Jahre alte und seit über 30 Jahren bei der Beklagten beschäftigte Kläger sah darin eine unzulässige Benachteiligung wegen seines Alters, denn ohne die Deckelung wäre seine Abfindung deutlich höher ausgefallen. Vor Gericht forderte er daher u.a. eine um ca. 26.000 EUR höhere - ungedeckelte - Sozialplanabfindung sowie die zusätzliche Zahlung der Klageverzichtsprämie iHv. ca. 27.000 EUR.

Die Klage wurde sowohl durch das Arbeitsgericht als auch durch das Landesarbeitsgericht (LAG Nürnberg, Urt. v. 14.10.2020 - 2 Sa 215/20) abgewiesen. Vor dem BAG hatte die Revision des Klägers zumindest in Teilen Erfolg. Das BAG erachtete die Deckelung der Sozialplanabfindung für grundsätzlich zulässig und lehnte eine Altersdiskriminierung ab, sprach dem Kläger aber die Klageverzichtsprämie zu.

Keine Altersdiskriminierung durch Deckel

In der Praxis berechnen sich Sozialplanabfindungen regelmäßig nach dem Monatsverdienst, einem bestimmten Faktor sowie der Betriebszugehörigkeit, teilweise auch dem Lebensalter der Arbeitnehmer. Bei lange bestehenden Arbeitsverhältnissen führt dies nicht selten zu hohen Abfindungen im deutlich sechsstelligen Bereich, die in der Summe von dem Sozialplanbudget nicht gedeckt werden können. Um solche ausufernde Abfindungen zu vermeiden, finden sich in Sozialplänen daher vermehrt sog. Höchstbetragsklauseln, die die zu zahlende Abfindung auf einen bestimmten Höchstbetrag deckeln.

Eine längere Betriebszugehörigkeit geht bereits aufgrund der dafür erforderlichen Dauer des Erwerbslebens regelmäßig mit einem höheren Lebensalter einher. Daher sind häufig insbesondere ältere Arbeitnehmer von entsprechenden Deckelungen betroffen. Vor diesem Hintergrund war in der Vergangenheit umstritten, ob derartige Höchstbetragsklauseln eine unzulässige Altersdiskriminierung darstellen und somit gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 75 Abs. 1 BetrVG verstoßen. Diesen Streit hat das BAG nunmehr höchstrichterlich - im Sinne der Arbeitgeberinteressen - entschieden. Zwar sei die Begrenzung der Sozialplanabfindung auf einen Höchstbetrag an sich geeignet, ältere Arbeitnehmer (mittelbar) altersbedingt zu benachteiligen. Insofern hält das BAG an seiner frühere Annahme, eine Altersdiskriminierung scheide schon deshalb aus, weil die älteren Arbeitnehmer nicht anders, sondern genauso behandelt würden wie die jüngeren Arbeitnehmer, ausdrücklich nicht fest (so noch BAG, Urt. v. 21.07.2009 - 1 AZR 566/08). Die Ungleichbehandlung der älteren Arbeitnehmer sei aber sowohl gemäß § 3 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) als auch gemäß § 10 S. 1 AGG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, erforderlich und angemessen und damit zulässig.

Rechtfertigung der Ungleichbehandlung

Mit der Festlegung einer maximal zu zahlenden Abfindung werde dem Umstand Rechnung getragen, dass die für den Sozialplan zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel limitiert sind. Die Höchstbetragsregelung solle gewährleisten, dass alle von dem Arbeitsplatzverlust betroffenen Arbeitnehmer eine verteilungsgerechte Überbrückungshilfe erhalten - ob jung oder alt. Diese Sicherstellung der Verteilungsgerechtigkeit stelle ein legitimes und rechtfertigendes Ziel für die Ungleichbehandlung der - durch die Berechnung ohnehin begünstigten und wirtschaftlich abgesicherten - älteren Arbeitnehmer dar. Daneben sei auch der konkrete Abfindungshöchstbetrag von 75.000 EUR an sich verhältnismäßig und die Deckelungshöhe führe nicht zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der von ihr betroffenen Arbeitnehmern. Die Sozialplanabfindung müsse die durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden finanziellen Folgen nicht vollständig kompensieren. Es sei ausreichend, wenn durch die Zahlung der Abfindung die Nachteile substantiell abgemildert würden.

Im Ergebnis schließt die Deckelung der Sozialplanabfindung also (lediglich) eine Übersicherung der älteren Arbeitnehmer aus. Diese sollen nicht mehr erhalten, als im Hinblick auf die zukunftsbezogene Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion der Sozialplanabfindung geboten ist.

Keine Erstreckung auf Klageverzichtsprämie

Für Klageverzichtsprämien gilt dies allerdings nicht. Nach Ansicht des BAG folge dies bereits aus dem Sinn und Zweck der Klageverzichtsprämie. Mit dieser solle für die betroffenen Arbeitnehmer ein Anreiz geschaffen werden, keine Kündigungsschutzklage zu erheben. Der mit dem Klageverzicht einhergehende finanzielle Vorteil, nämlich der „Anspruch auf eine höhere Abfindung“, würde jedoch unterlaufen, wenn die Deckelung der Sozialplanabfindung auch die (zusätzliche) Klageverzichtsprämie erfassen würde und sich die nach dem Sozialplan ohnehin zu zahlende Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht erhöht. So würden diejenigen Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung bereits ohne oder jedenfalls unter Hinzurechnung der Klageverzichtsprämie den Höchstbetrag übersteigt, für einen Klageverzicht keine oder nur eine geringere finanzielle Leistung erhalten als diejenigen Arbeitnehmer, deren Sozialplanabfindung niedriger ist. Die Klageverzichtsprämie würde damit ihren Zweck verfehlen.

Daneben verletze eine Erstreckung der Deckelung der Sozialplanabfindung auf die Klageverzichtsprämie den in § 75 Abs. 1 BetrVG geregelten betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes und sei auch vor diesem Hintergrund unzulässig. Der Arbeitgeber erziele in allen Fällen gleichermaßen die mit der Klageverzichtsprämie beabsichtigte Planungssicherheit über die Beendigung der gekündigten Arbeitsverhältnisse und vermeide die mit einem Kündigungsschutzverfahren einhergehenden Risiken. Der Umstand, dass den Arbeitnehmern nach dem Sozialplan eine unterschiedlich hohe Abfindung als Ausgleich oder Milderung für den Verlust ihres Arbeitsplatzes zu zahlen sei, rechtfertige - gemessen an dem Zweck der Klageverzichtsprämie - keine Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer. Demnach gilt: Im Sozialplan geregelte Höchstbeträge gelten nicht für Klageverzichtsprämien.

Finanzierung der Klageverzichtsprämie

Für Klageverzichtsprämien bedeutet die neue Rechtsprechung, dass für diese grundsätzlich keine finanziellen Grenzen gelten. Die sich aufdrängende Folgefrage, ob für Klageverzichtsprämien - losgelöst von der Höchstabfindungsklausel im Sozialplan - eine eigenständige Deckelung geregelt werden kann, thematisiert das BAG nicht. In Bezug auf die Finanzierung der Klageverzichtsprämie eröffnet die Entscheidung des BAG für Arbeitgeber aber (zumindest) die Möglichkeit, die Klageverzichtsprämie zukünftig aus den Sozialplanmitteln (mit) zu finanzieren. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach Klageverzichtsprämien nicht auf dem Sozialplanbudget bezahlt werden durften, hat das BAG in der aktuellen Entscheidung ausdrücklich aufgegeben. Zwar gilt weiterhin das Verbot, Sozialplanabfindungen von einem Klageverzicht abhängig zu machen. D.h., Klageverzichtsprämien müssen stets unabhängig neben den Sozialplanleistungen stehen, sonst liegt ein Verstoß gegen § 75 Abs. 1 BetrVG vor. Eine Umgehung sei aber - entgegen früherer Ansicht - nicht bereits darin zu sehen, dass dem „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehenden Finanzvolumen Mittel entzogen und für die Klageverzichtsprämie eingesetzt werden. Es liege im Ermessen der Betriebsparteien zu entscheiden, ob, in welchem Umfang und wie sie die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen oder abmildern wollen. Dieser weite Gestaltungsspielraum verbiete die Annahme, es gäbe ein (nur) für den Sozialplan zur Verfügung stehendes Budget, welches im Rahmen der Klageverzichtsprämie „funktionswidrig“ eingesetzt werden könnte.

Praxishinweise für den Abschluss von Sozialplänen und Klageverzichtsprämien

Aus der Entscheidung des BAG lassen sich für die Restrukturierungspraxis folgende Empfehlungen ziehen:

  • Wird eine Sozialplanabfindung vereinbart, kann diese im Interesse des Arbeitgebers auf einen Höchstbetrag begrenzt werden. Berechnet sich die Abfindung (auch) nach der Betriebszugehörigkeit und/oder dem Lebensalter der Arbeitnehmer, steht dies einer Deckelung nicht entgegen. Bei der Festlegung der Maximalabfindung ist allerdings stets darauf zu achten, dass durch diese tatsächlich eine „Verteilungsgerechtigkeit“ zwischen allen betroffenen Arbeitnehmern erzielt wird. Zudem ist dem Zweck der Sozialplanabfindung hinreichend Rechnung zu tragen. Die konkreten Beträge müssen den durch den Arbeitsplatzverlust entstehenden Nachteil für die betroffenen Arbeitnehmer substantiell abmildern. Eine Deckelung der Sozialplanabfindung auf 75.000 EUR hat das BAG für zulässig erachtet.

  • Um die von einer Kündigung betroffenen Arbeitnehmer daran zu hindern, Kündigungsschutzklage zu erheben, ist es sinnvoll, neben der Sozialplanabfindung eine zusätzliche Klageverzichtsprämie zu vereinbaren. Aufgrund des Kopplungsverbots von Sozialplanabfindung und Klageverzicht ist dafür zwar zwingend eine eigene Betriebsvereinbarung notwendig. Für die Finanzierung der Klageverzichtsprämien darf zukünftig aber auf die für den Sozialplan zur Verfügung stehende Mittel zurückgegriffen werden. Ein gesondert ausgewiesenes Budget ist insofern nicht (mehr) erforderlich. Es schadet aber nicht, das Gesamtvolumen von vornherein in zwei Budgets aufzuteilen und so Klarheit zu schaffen.

  • Bei der Klageverzichtsprämie kann es sich entweder um einen für alle Arbeitnehmer festgelegten Betrag oder um eine anhand einer Formel zu berechnende Summe handeln. Im Hinblick auf die begrenzten finanziellen Mittel ist bei der Bemessung der Klageverzichtsprämie zukünftig in beiden Fällen zu beachten, dass eine ggf. für die Sozialplanabfindung vereinbarte Deckelung auf die Klageverzichtsprämie keine Anwendung findet. Von entsprechenden Formulierungen ist demnach abzusehen.
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