Einleitung
Im Rahmen von Restrukturierungen bieten Freiwilligenprogramme eine sinnvolle Alternative gegenüber dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen. Der Abschluss von Aufhebungsverträgen im Rahmen eines Freiwilligenprogramms erweist sich als in besonderem Maße sozialverträglich, da die betroffenen Arbeitsverhältnisse durch einvernehmliche Regelung beendet werden. Sie bieten sowohl für den Arbeitgeber – aber auch für den Arbeitnehmer – eine Reihe von Vorteilen, die im Folgenden dargestellt werden sollen.
Ausgestaltungsmöglichkeiten
Die Ein- und Durchführung eines Freiwilligenprogramms ist grundsätzlich sowohl auf der Grundlage einer Individualabrede oder einer Gesamtzusage sowie auch durch Betriebsvereinbarung möglich. Unter Umständen ist ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu beachten (vgl. dazu unter V.) Die Gestaltungsmöglichkeiten sind vielfältig.
1. Offenes Programm oder Selektives Vorgehen
Als grundlegende Weichenstellung ist sowohl die Wahl eines offenen Programms als auch ein selektives Vorgehen möglich. Bei einem offenen Programm richtet sich das Angebot zur Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm an alle Arbeitnehmer des Betriebs. Dies kann zu unerwünschten Ergebnisses führen. Zum einen können sich insgesamt mehr Arbeitnehmer für das Freiwilligenprogramm melden, als der Arbeitgeber überhaupt abbauen möchte. Zum anderen kann es passieren, dass sich genau „die falschen“ Arbeitnehmer zur Teilnahme melden, nämlich diejenigen, die der Arbeitgeber als Leistungsträger gerade im Unternehmen halten möchte.
Das Mittel der Wahl dürfte daher häufig ein selektives Vorgehen sein, bei dem die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm von vornherein nur bestimmten Betriebsabteilungen oder Arbeitnehmergruppen angeboten wird. Dazu empfiehlt es sich für den Arbeitgeber vorab eine Liste von Leistungsträgern, die im Unternehmen verbleiben sollen, und solchen Arbeitnehmern zu erstellen, von denen der Arbeitgeber sich trennen möchte. Eine solche Selektion ist grundsätzlich zulässig. Wegen des Gleichbehandlungsgrundsatzes muss aber eine willkürfreie Begründung der Auswahl möglich sein.
2. Doppelte Freiwilligkeit
Weiterhin stehen Freiwilligenprogramme in der Regel unter dem Motto der „doppelten Freiwilligkeit“. Das heißt, dass weder Arbeitnehmer noch Arbeitgeber zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags verpflichtet sind. Umgekehrt hat daher grundsätzlich auch kein Arbeitnehmer einen Anspruch auf Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm und Abschluss eines Aufhebungsvertrags. Ein solcher Anspruch würde die bereits zuvor angesprochene Gefahr begründen, dass insgesamt oder in bestimmten Bereichen zu viele Arbeitnehmer am Personalabbau teilnehmen.
3. Mögliche Anreize und Ausgestaltung im Einzelnen
Entscheidend für den Erfolg eines Freiwilligenprogramms als Mittel des Personalabbaus ist die Frage, welche Anreize für den einzelnen Arbeitnehmer gesetzt werden können, um ihn zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags zu bewegen.
a) Windhund-Prinzip
Eine Option stellt die Regelung eines sog. Windhund-Prinzips dar. Danach wird die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm etwa den ersten 50 Arbeitnehmern ermöglicht, die sich für die Teilnahme anmelden. Neben einem Beschleunigungseffekt kann so auch die Anzahl der Teilnehmer an dem Freiwilligenprogramm begrenzt werden
b) Quorum
Ein weiterer Anreiz kann dadurch gesetzt werden, dass die Durchführung des Freiwilligenprogramms von einem bestimmten Quorum von Arbeitnehmern abhängig gemacht wird, die an dem Programm teilnehmen müssen.
c) Deadline
Auch das Setzen einer Deadline stellt ein wirksames Mittel und insbesondere eine Beschleunigung dar. So wird insbesondere verhindert, dass Arbeitnehmer ihre Zu- oder Absage zu dem Programm hinauszögern, um weitere Restrukturierungsmaßnahmen des Arbeitgebers abzuwarten.
d) Turboprämie
Außerdem kann die Gewährung einer Turboprämie (auch Sprinterprämie oder Schnellentscheiderprämie genannt) die Entscheidung der Arbeitnehmer beschleunigen und positiv beeinflussen. Bei einer derartigen Turboprämie sagt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine höhere Abfindung zu, wenn dieser generell oder fristgerecht bereit am Freiwilligenprogramm teilzunehmen bzw. wenn er „schnell“ zusagt und so eine zügige Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags ermöglicht.
e) Strukturierung des Freiwilligenprogramms
In zeitlicher Hinsicht empfiehlt es sich, das Freiwilligenprogramm nicht mit zu viel Vorlauf vor dem angedachtem Personalabbau bzw. weiteren Restrukturierungsmaßnahmen durchzuführen. Andernfalls könnten sich die betroffenen Arbeitnehmer dazu veranlasst sehen, „erst einmal abzuwarten“ wie sich die weitere Lage im Unternehmen entwickelt. Ihnen muss dagegen deutlich werden, dass sie von einer weiteren Personalabbaumaßnahme betroffen werden können, wenn sie sich nicht auf das Freiwilligenprogramm einlassen. Auch insoweit kann ein Anreiz für die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm geschaffen werden.
Schließlich empfiehlt es sich aus Sicht des Arbeitgebers, die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm von einem Verzicht des Arbeitnehmers auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig zu machen. Denn dadurch erreicht der Arbeitgeber eine erhebliche Planungssicherheit und vermeidet die rechtlichen und wirtschaftlichen Unsicherheiten, die der Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung gewöhnlich mit sich bringt.
Damit durch die beschriebenen Maßnahmen kein unzulässiger Druck auf den einzelnen Arbeitnehmer ausgeübt wird, wird diesem eine Bedenkzeit von einigen Tagen für die Entscheidung über die Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm einzuräumen sein. Diese soll gewährleisten, dass er seine eigene Position überprüfen und das Für und Wider des Abschlusses eines Aufhebungsvertrages abwägen kann.
Vorteile
Freiwilligenprogramme bieten vielfältige Vorteile. Allem voran stellen sie ein wirksames Mittel dar, Arbeitsverhältnisse einvernehmlich zu beenden und im gleichen Zuge betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Anders als bei betriebsbedingten Kündigung ist bei dem Abschluss von Aufhebungsverträgen im Rahmen eines Freiwilligenprogramms keine Sozialauswahl hinsichtlich der Wahl der teilnehmenden Arbeitnehmer durchzuführen. Es ist daher möglich, gezielt Arbeitnehmer anzusprechen, die nach den Kriterien einer Sozialauswahl nicht hätten gekündigt werden können. Spiegelbildlich können Arbeitnehmer, die ansonsten der Sozialauswahl „zum Opfer gefallen“ wären, gehalten werden. Insbesondere wichtige Leistungspersonen können also auf diesem Weg sicher im Unternehmen gehalten werden.
Zudem bietet das Freiwilligenprogramm – gerade aufgrund seiner Freiwilligkeit – einen schnelleren Durchführungsweg beim Personalabbau gegenüber dem Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, dass Gegenstand des Freiwilligenprogramms häufig der Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage ist.
Insgesamt bieten Freiwilligenprogramme die Möglichkeit, eine höhere Akzeptanz des Personalabbaus nicht nur im Unternehmen, sondern auch in der öffentlichen Wahrnehmung zu erreichen.
Rechtliche Zulässigkeit
Auch selektive Freiwilligenprogramme stellen weder einen Verstoß gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG noch gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB dar (so etwa BAG, Urt. v. 31.5.2005 – 1 AZR 254/04). Dies gilt auch dann, wenn das Freiwilligenprogramm den Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage vorsieht.
Denn die Differenzierung zwischen den Arbeitnehmern, die auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, auf der einen Seite und den Arbeitnehmern, die einen entsprechenden Verzicht nicht erklären, auf der anderen Seite, ist durch den Regelungszweck des Freiwilligenprogramms gerechtfertigt. Dieses konsulatatiosoll gerade einen Anreiz für die rasche Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei gleichzeitiger Vermeidung der ansonsten mit dem Ausspruch von Kündigungen verbundenen rechtlichen Unsicherheit schaffen.
Es liegt auch keine Benachteiligung im Sinn von § 612a BGB vor. Denn das Recht des Arbeitnehmers, eine Kündigungsschutzklage zu erheben, stellt grundsätzlich kein unverzichtbares Recht dar, wie sich auch aus § 1a KSchG ergibt. Dem Arbeitnehmer wird also kein von der Rechtsordnung missbilligtes Geschäft angetragen. Zudem verbleibt ihm die freie Entscheidung, ob er sich zugunsten der Leistungen des Freiwilligenprogramms auf den Klageverzicht einlässt oder eben nicht.
Eine rechtliche Unzulässigkeit des Freiwilligenprogramms kann sich aber ergeben, wenn dadurch die Leistungen im Rahmen eines ansonsten einschlägigen Sozialplans umgangen werden sollen. Das kann aber nur in Fällen angenommen werden, in denen der Sozialplan keine angemessene Abmilderung der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile darstellt.
Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats
Im Grundsatz besteht für die Ein- und Durchführung eines Freiwilligenprogramms kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Denn es handelt sich letztlich lediglich um den Abschluss von Aufhebungsverträgen.
Ist mit dem durch das Freiwilligenprogramm beabsichtigten Personalabbau jedoch eine Betriebsänderung im Sinn von § 111 BetrVG verbunden, oder stellt der Personalabbau selbst eine solche Betriebsänderung dar, ist der Betriebsrat zu beteiligen. In diesen Fällen bietet es sich an, das Freiwilligenprogramm in die Interessenausgleichsverhandlungen nach § 112 Abs. 1 BetrVG zu integrieren.
Aber auch im Übrigen bietet es sich an, den Betriebsrat bei der Einführung eines Freiwilligenprogramms zu beteiligen, da bei einer Unterstützung durch den Betriebsrat die Toleranz und Akzeptanz des Programms im Unternehmen wächst.
Massenentlassungsanzeige und Konsultationsverfahren
Auch im Rahmen eines Freiwilligenprogramms ist § 17 KSchG im Blick zu behalten, wonach die Erstattung einer Massenentlassungsanzeige und die Durchführung eines Konsultationsverfahrens erforderlich werden kann. Denn auch der Abschluss eines Aufhebungsvertrags stellt eine Entlassung im Sinn dieser Vorschrift dar.
Erreichen die durch das Freiwilligenprogramm veranlassten Aufhebungsverträge innerhalb von 30 Tagen die Grenzwerte des § 17 Abs. 1 KSchG, ist der Arbeitgeber verpflichtet, der Agentur für Arbeit eine entsprechende Anzeige zu erstatten. Gleichzeitig hat er dem Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 KSchG zu unterrichten. Auch wenn die in § 17 Abs. 1 KSchG genannten Grenzwerte innerhalb von 30 Tagen erst durch eine Kombination von aufgrund des Freiwilligenprogramms geschlossenen Aufhebungsverträgen einerseits und dem Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen andererseits erreicht werden, sind das Massenentlassungsanzeige- und Konsultationsverfahren durchzuführen. § 17 KSchG differenziert insoweit nicht nach der Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Aufhebungsverträge, die unter Missachtung der Vorgaben des § 17 KSchG abgeschlossen werde, sind unwirksam.
Fazit
Freiwilligenprogramme bieten eine gute Möglichkeit, einen Personalabbau in einem Unternehmen durchzuführen – sowohl als Alternative zu als auch in Kombination mit betriebsbedingten Kündigungen. Um insbesondere diejenigen Arbeitnehmer zur Teilnahme an dem Freiwilligenprogramm zu motivieren, von denen man sich bevorzugt trennen möchte, ist eine gute Vorbereitung des Freiwilligenprogramms wichtig. Neben finanziellen Anreizen begünstigt auch ein zeitlicher Zusammenhang zu sonstigen Personalabbaumaßnahmen den Erfolg eines Freiwilligenprogramms, da die Teilnahme auch für den Arbeitnehmer eine günstige Alternative gegenüber dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung darstellen kann.