Kurzarbeit? Oder doch eine betriebsbedingte Kündigung? | Re.Work | GÖRG Blog

Kurzarbeit? Oder doch eine betriebsbedingte Kündigung?

Einleitung

Das Instrument der Kurzarbeit, bereits 1957 eingeführt, erlebt angesichts der SARS-CoV2-Pandemie gerade millionenfach seine Renaissance. International kopiert, gilt die Kurzarbeit als Stabilitätsanker des deutschen Arbeitsmarktes. Die sozialpolitischen Vorteile liegen auf der Hand: Arbeitslosigkeit wird vermieden, Unternehmen behalten ihre Fachkräfte und betroffene Arbeitnehmer erhalten immerhin zwei Drittel ihres Nettolohns. Dennoch ist die Kurzarbeit keine Allzweckwaffe. Denn bisweilen führt bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten weiterhin kein Weg an betriebsbedingten Kündigungen oder gar Massenentlassungen vorbei. Aus unternehmerischer Sicht stellt sich dann die Frage, wie auf die Krise reagiert werden soll: Mit Kurzarbeit? Oder doch mit betriebsbedingten Kündigungen? Mit beidem?

Praktisch ist die Abgrenzung der Alternativen von außerordentlicher Bedeutung, denn beide Instrumente schließen sich gegenseitig aus. Die Wahl des falschen Instrumentes führt zu erheblichen rechtlichen und finanziellen Risiken. Noch schwieriger wird die Situation, wenn trotz genehmigter Kurzarbeit doch betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden sollen. Ob und unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, klärt der nachfolgende Beitrag.

Kurzarbeit

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Kurzarbeitergeld sind im Sozialgesetzbuch III (SGB III) geregelt (§§ 95 - 109). Die Voraussetzungen für Kurzarbeit liegen vor, wenn aufgrund eines unvermeidbaren Ereignisses in Betrieb ein Arbeitsausfall vorliegt und ganz wichtig dieser vorübergehend ist. Was aber ist „vorübergehend“? Bevor ein Unternehmen bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit anzeigen kann, muss er zuvor gewissenhaft eine Prognose anstellen. Nur wenn mit ausreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass in absehbarer Zeit die Flaute überwunden werden kann, wird das Amt Kurzarbeitergeld bewilligen. Grundsätzlich ist der Bezug auf zwölf Monate beschränkt (§ 104 Abs. 1 SGB III), im Zuge eines Pandemie-bedingten Arbeitsausfalls ist der Bezugszeitraum aber aktuell auf 24 Monate ausgeweitet worden. Ein Arbeitgeber, der davon ausgehen darf, dass sein Geschäft nach der Pandemie wieder anläuft, wird daher mit Erfolg Kurzarbeitergeld beantragen können. Hingegen darf die Kurzarbeit nicht dazu dienen, Massenentlassungen zu verschleppen. Kurzarbeit hat ausschließlich eine Überbrückungsfunktion. Ein Geschäftsmodell ohne Zukunft wird sich auch mit Kurzarbeit nicht über die Zeit retten können dann bleibt nur die Kündigung

Betriebsbedingte Kündigung

Kurzarbeit und betriebsbedingte Kündigungen schließen sich gegenseitig aus. Mit anderen Worten: Eine betriebsbedingte Kündigung ist geradezu das Gegenteil von Kurzarbeit. Auch hier bedarf es wieder einer gewissenhaften Beschäftigungsprognose. Gelangt der Arbeitgeber zur Überzeugung, dass die Beschäftigungsflaute auf unabsehbare Zeit anhält, so kann er nur mit einer betriebsbedingten Kündigung oder gar Massenentlassungen reagieren. Denn ist der Arbeitsausfall nicht nur vorübergehend, darf ihm die Agentur für Arbeit keine Leistungen aus der Sozialversicherung gewähren. Das adäquate Mittel ist allein die Kündigung. Aber Vorsicht: Auch die Arbeitsgerichte prüfen im Kündigungsschutzprozess sehr genau, ob tatsächlich auf Dauer die Arbeit fortfällt. Der Arbeitgeber hat hier eine erhebliche Darlegungslast. Kann er den dauerhaften Beschäftigungsfortfall nicht beweisen, fehlt es an den Voraussetzungen einer betriebsbedingten Kündigung und das Arbeitsgericht wird einer Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Auch wenn kein Arbeitgeber in die Glaskugel schauen kann, so ist die Begründung der Beschäftigungsprognose in jedem Fall von elementarer Bedeutung.

Änderung der Prognose

In der gegenwärtigen pandemischen Situationen sind Arbeitgeber gezwungen, ihre Beschäftigungsprognose stets aufs Neue zu prüfen und ggf. zu revidieren von Lockdown zu Lockdown. Verbreitet ist der Irrglaube, dass während des Bezugs von Kurzarbeitergeld betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sind. Das ist so pauschal nicht ganz richtig. Denn da ein Arbeitgeber gezwungen ist, die Beschäftigungsprognose ständig zu überprüfen, kann er auch während der Kurzarbeit zur Überzeugung gelangen, dass nun doch betriebsbedingte Kündigungen unausweichlich werden. Hierzu ein Beispiel:

  1. Zu Beginn der Pandemie im März 2020 zeigt der (fiktive) Gastronomiezulieferer GastroLecker GmbH Kurzarbeit an, zunächst für drei Monate. Da damals für die Sommermonate wieder mit einem normalen Betrieb gerechnet werden durfte, lagen die Voraussetzungen nach dem SGB III vor. Betriebsbedingte Kündigungen hätten ersichtlich keinen Bestand gehabt.
  2. Abwandlung: Wegen des schlechten Sommers und des zweiten Lockdown muss die GastroLecker GmbH im Oktober 2020 erneut Kurzarbeit anzeigen, aufgrund der Pandemie für sechs weitere Monate. Im Januar 2021 kündigen mehrere Großkunden die Lieferverträge und im Zuge der neuen Prognose stellt sich heraus, dass das Unternehmen aufgrund der weiterlaufenden Kosten und anstehender Investitionen auch nach dem Lockdown aus eigener Kraft nicht mehr überlebensfähig sein wird. Der Geschäftsbetrieb muss eingestellt werden.

Im letzten Beispiel hat sich die Beschäftigungsprognose fundamental gewandelt. Die Geschäftsführung der GastroLecker GmbH wäre gezwungen, der Agentur für Arbeit unverzüglich anzuzeigen, dass der Arbeitsausfall nicht mehr nur vorübergehend ist. Die Agentur für Arbeit muss die Leistung von Kurzarbeitergeld einstellen. Der Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen ist nun unausweichlich denn durch die Betriebsschließung entfallen auf Dauer sämtliche Beschäftigungsmöglichkeiten. In einem solchen Fall darf durch Kurzarbeit ein marodes Unternehmen nicht länger „subventioniert“ werden. In einem solchen Falle dürfen und müssen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen werden. Ist ein Betriebsrat vorhanden, bedarf es eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Für die Dauer bis zur Schließung bzw. für die Dauer der Kündigungsfrist muss dann wieder zu normalen Konditionen gearbeitet werden.

Noch komplizierter wird es, wenn – je nach Betriebsabteilung – die Prognose unterschiedlich ausfällt. Dann können ggf. beide Instrumente nebeneinander bestehen, was auch mit Blick auf eine Sozialauswahl schwierige Folgefragen auswirft und anwaltlicher Begleitung bedarf.

Daher gilt: Auf die Beschäftigungsprognose kommt es an. Allein hiervon hängt es ab, welches Instrument Kurzarbeit oder Kündigung gewählt werden darf und muss. Ein Wahlrecht gibt es nicht.

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