Beteiligung des zuständigen Betriebsrats bei Betriebsänderungen – Zuständigkeit des Einzel-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats? | Re.Work | GÖRG Blog

Beteiligung des zuständigen Betriebsrats bei Betriebsänderungen – Zuständigkeit des Einzel-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrats?

I. Einleitung

Plant der Arbeitgeber eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG, so hat er die diesbezüglichen Beteiligungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Insbesondere ist der Arbeitgeber gemäß § 112 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, den Abschluss eines Interessenausgleichs über die geplante Betriebsänderung mit dem zuständigen Betriebsrat ausreichend zu versuchen. Anderenfalls droht dem Arbeitgeber die empfindliche Rechtsfolge des § 113 Abs. 3 BetrVG: Danach hat der Arbeitgeber der eine Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht zu haben, den Arbeitnehmern die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Nachteile zu ersetzen.

Der „Versuch“ des Interessenausgleichs setzt voraus, dass der Arbeitgeber den zuständigen Betriebsrat beteiligt hat. Andernfalls drohen dieselben Folgen wie bei einer gänzlich unterlassenen Beteiligung. Zudem droht die Unwirksamkeit des Interessenausgleichs und des Sozialplans.

Um derartige Folgen und einen etwaigen Zeitverzug zu vermeiden, sollten Arbeitgeber stets im Blick behalten, ob der Einzel-, der Gesamt- oder der Konzernbetriebsrat zuständig ist. Mit diesem Beitrag möchten wir einen Überblick geben wann welche Gremium zuständig ist und wie der Arbeitgeber vorgehen kann, wenn Unsicherheiten bei Zuständigkeitsfragen bestehen.

II. Grundsatz: Zuständigkeit des Einzelbetriebsrats

Das Beteiligungsrecht des § 111 BetrVG wird in der Regel auf der Ebene des Betriebs wahrgenommen. Es bezieht sich auf Betriebsänderungen, d.h. es handelt sich um die Auswirkungen wirtschaftlicher Angelegenheiten auf den einzelnen Betrieb. Daher ist grundsätzlich der Einzelbetriebsrat zuständig. Die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats ist insbesondere dann begründet, wenn die Betriebsänderung nur einen Betrieb betrifft.

Der Einzelbetriebsrat verliert seine Zuständigkeit auch nicht dann an den Gesamtbetriebsrat bzw. den Konzernbetriebsrat, wenn die Betriebsparteien im Interessenausgleich Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten für Beschäftigte in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder in einem anderen Konzernunternehmen vereinbaren.

III. Ausnahme: Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats oder des Konzernbetriebsrats

In unterschiedlichen Fallkonstellationen kommt anstatt der Zuständigkeit des Einzelbetriebsrats aber auch eine Zuständigkeit des Gesamt- bzw. des Konzernbetriebsrats in Betracht. Ob der Gesamt- oder der Konzernbetriebsrat für die Beratung über die Betriebsänderung und den Abschluss von Interessenausgleich und/oder Sozialplan zuständig ist, richtet sich nach § 50 BetrVG bzw. nach § 58 BetrVG.

Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats

Nach § 50 Abs. 1 S. 1 BetrVG ist der Gesamtbetriebsrat für Angelegenheiten zuständig, die das Gesamtunternehmen oder mehrere Betriebe betreffen und nicht durch die einzelnen Betriebsräte innerhalb ihrer Betriebe geregelt werden können. Demgemäß ist bei geplanten Betriebsänderungen die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats dann gegeben, wenn die Maßnahme sich auf alle oder mehrere Betriebe auswirkt und eine einheitliche Regelung notwendig ist.

Die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss des Interessenausgleichs hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise im Fall einer unternehmenseinheitlichen oder betriebsübergreifenden Planung einer Betriebsänderung, einer Stilllegung aller oder mehrerer Betriebe, bei der Zusammenlegung mehrerer Betriebe sowie im Fall eines unternehmensweiten Personalabbaus ohne Rücksicht auf betriebliche oder sonstige Besonderheiten in den einzelnen Betrieben angenommen.

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss eines Interessenausgleichs nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zugleich die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für den Abschluss eines Sozialplans begründet. Vielmehr ist für den Sozialplan gesondert zu prüfen, ob der Ausgleich oder die Abmilderung der durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile zwingend unternehmenseinheitlich oder betriebsübergreifend geregelt werden muss. Dies wird vom Bundesarbeitsgericht beispielsweise für den Fall bejaht, dass die im Interessenausgleich vereinbarte Betriebsänderung mehrere oder alle Betriebe des Unternehmens betrifft und betriebsübergreifende Kompensationsregelungen erfordert. Demgegenüber ist der Einzelbetriebsrat für den Abschluss des Sozialplans zuständig, wenn der vom Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Interessenausgleich Betriebsänderungen regelt, die einzelne Betriebe unabhängig voneinander betreffen.

Ist der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG originär zuständig, gelten die mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossenen Vereinbarungen auch für betriebsratslose Betriebe (§ 50 Abs. 1 S.1 aE BetrVG).

Neben der originären Zuständigkeit kommt auch eine Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats kraft Delegation gemäß § 50 Abs. 2 BetrVG in Betracht, d.h. wenn er von Einzelbetriebsräten beauftragt wird.

Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats

Die für den Gesamtbetriebsrat aufgestellten Grundsätze gelten entsprechend für die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats nach § 58 BetrVG. Ist ein Konzernbetriebsrat errichtet, ist dieser folglich nur dann zuständig, wenn die Betriebsänderungen mehrere Konzernunternehmen betreffen. Die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats kommt beispielsweise dann in Betracht, wenn der Betriebsänderung ein unternehmensübergreifendes einheitliches Konzept zugrunde liegt.

Bei originärer Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats gelten mit ihm abgeschlossene Vereinbarungen auch für Unternehmen ohne Gesamtbetriebsrat sowie für betriebsratlose Betriebe (§ 58 Abs. 1 S. 1 aE BetrVG). Auch der Konzernbetriebsrat kann vom Gesamtbetriebsrat gemäß § 58 Abs. 2 BetrVG beauftragt und auf diese Weise zuständig werden.

IV. Fazit und Praxistipp

Obwohl für die Beteiligung nach §§ 111 ff. BetrVG häufig von der Zuständigkeit des Einzelbetriebsrats ausgegangen werden kann, gibt es eine Vielzahl an Fallgestaltungen, in denen die Zuständigkeit des Gesamt- oder des Konzernbetriebsrats in Frage kommt. Um die negativen Folgen der Beteiligung eines unzuständigen Gremiums zu vermeiden, sollten Arbeitgeber stets zu Beginn der Planung einer Betriebsänderung klären, welchem Gremium (Einzel-, Gesamt- oder Konzernbetriebsrat) die Mitwirkungsrechte der §§ 111 ff. BetrVG zustehen.

Da allein der Arbeitgeber die Initiativlast trägt und sich diese auch auf die Ermittlung des richtigen Verhandlungspartners bezieht, ist Arbeitgebern bei Zweifeln bezüglich der Zuständigkeit dringend zu empfehlen, die in Betracht kommenden Gremien zur Klärung der Zuständigkeitsfrage schriftlich aufzufordern. Wird dem Arbeitgeber von Seiten des Betriebsrats das zuständige Gremium mitgeteilt und beteiligt der Arbeitgeber das benannte Gremium, ist er nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht zum Nachteilsausgleich nach § 113 Abs. 3 BetrVG verpflichtet, wenn rechtlich ein anderes Gremium zuständig war. Schweigt der Betriebsrat auf die Aufforderung des Arbeitgebers oder wird keine Einigung in der Zuständigkeitsfrage erzielt, so hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, selbst eine nachvollziehbare Entscheidung zu treffen, ohne Nachteilsausgleichsansprüche befürchten zu müssen. In den genannten Fällen ist es dem rechtlich zuständigen Betriebsrat verwehrt, sich zu einem späteren Zeitpunkt auf die Unzuständigkeit des beteiligten Gremiums zu berufen und die Wiederholung des Verfahrens nach §§ 111, 112 BetrVG zu verlangen.

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