Im Rahmen von Sozialplanverhandlungen werden oftmals neben Abfindungen auch Prämien für einen Kündigungsschutzverzicht des Arbeitnehmers vereinbart. Diese sogenannten „Klageverzichtsprämien“ bzw. „Turboprämien“ sollen möglichst rasch Rechtssicherheit über die Wirksamkeit von betriebsbedingten Kündigungen im Rahmen einer Betriebsänderung schaffen. Für die Vereinbarung solcher Prämien hat die Rechtsprechung verschiedene Wirksamkeitsvoraussetzungen aufgestellt:
„Oberste Regel“ ist insoweit, dass die Zahlung einer Sozialplanabfindung nicht von einem Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig gemacht werden darf (vgl. BAG v. 20. Dezember 1983 – 1 AZR 442/82). Arbeitnehmer, welche nicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, werden hinsichtlich der Sozialplanabfindung schlechter behandelt als diejenigen, die von der gerichtlichen Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung absehen (vgl. BAG a.a.O.). Vor diesem Hintergrund hat das BAG im Jahr 2005 Klageverzichtsprämien grundsätzlich für zulässig erachtet, hierbei jedoch verlangt, dass diese zusätzlich zum „normalen“ Sozialplanvolumen gezahlt werden (vgl. BAG v. 31. Mai 2005 – 1 AZR 254/04), sie somit nicht das Sozialplanvolumen schmälern dürfen. In der Praxis werden deshalb Klageverzichtsprämien in der Regel getrennt von dem jeweiligen Sozialplan im Rahmen von freiwilligen Betriebsvereinbarungen vereinbart.
I. Urteil des LAG Nürnberg vom 14. Oktober 2020, Az. 2 Sa 227/20
Im Zusammenhang mit Klageverzichtsprämien hatte sich unlängst das LAG Nürnberg mit der Frage zu befassen, ob die Umgehung des Verbots, Sozialplanleistungen von einem Klageverzicht abhängig zu machen, und die Klageverzichtsprämie aus dem für die Sozialplanleistungen zur Verfügung stehenden Mitteln zu finanzieren, zwingend zur Unwirksamkeit einer Betriebsvereinbarung über eine Klageverzichtsprämie führen muss oder ob diese auch als Teil der Sozialplanregelungen insgesamt zu sehen sein können.
Zum Ausgleich bzw. zur Milderung der den Arbeitnehmern infolge einer Werksschließung entstehenden Nachteilen schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat einen Interessenausgleich und Sozialplan. Die Sozialplanabfindung berechnete sich nach Betriebszugehörigkeit x Bruttomonatseinkommen x Faktor. Dieser Faktor, der sich am Alter der Arbeitnehmer orientierte, erhöhte sich bis zum 60. Lebensjahr der Arbeitnehmer. Anschließend verringerte sich dieser wiederum stufenweise. Der Sozialplan enthielt ferner unter anderem eine „Kappungsgrenze“ in Höhe von EUR 75.000,00 bzw. Faktor 1,2. Daneben vereinbarten die Betriebsparteien eine „Betriebsvereinbarung bezüglich einer Klageverzichtsprämie“. Danach erhalten Arbeitnehmer, die auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage verzichten, eine um den Faktor 0,25 erhöhte Abfindung.
Ein langjährig beschäftigter Arbeitnehmer erhob gegen seine betriebsbedingte Kündigung keine Kündigungsschutzklage, weshalb die Arbeitgeberin einen Gesamtbetrag aus Abfindung und Klageverzichtsprämie in Höhe von EUR 75.000,00 an den Arbeitnehmer auszahlte. Dabei wendete sie die im Sozialplan vereinbarte Kappungsgrenze für die Berechnung der Abfindung auch auf die Zahlung der Klageverzichtsprämie an. Der Kläger machte in der Folge unter anderem eine erhöhte Abfindung im Umfang der Klageverzichtsprämie und der durch die Deckelung der Gesamtabfindung eingetretenen Minderung geltend. Hilfsweise verlangte der Kläger Schadensersatz bzw. Entschädigung in jeweils gleicher Höhe wegen des Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab.
Das LAG Nürnberg bestätigte die Entscheidung des Arbeitsgerichts. Nach Auffassung des LAG umgehe die Betriebsvereinbarung zur Klageverzichtsprämie zwar das Verbot, Sozialplanabfindungen nicht von einem Verzicht auf die Kündigungsschutzklage abhängig zu machen, weil diese zu einer zweckwidrigen Verwendung „an sich“ für den Sozialplan zur Verfügung stehender Mittel führe. Mit der Verwendung eines wesentlichen Teils des vorgegebenen Sozialplanvolumens für eine Klageverzichtsprämie sei dieses „zweckwidrig im Bereinigungsinteresse“ des Arbeitgebers eingesetzt worden. Allerdings führe dies nicht zur Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung bezüglich der Klageverzichtsprämie insgesamt. Obwohl in einer gesonderten Betriebsvereinbarung vereinbart, bleibe diese – so das LAG - vielmehr als Teil der Sozialplanregelung erhalten, wodurch sich die Abfindung aller der unter den Sozialplan fallenden Mitarbeiter um den Faktor 0,25 erhöhe, unabhängig davon, ob der betreffende Mitarbeiter Kündigungsschutzklage erhoben hatte oder nicht. Als Teil der Sozialplanregelung unterliege die Klageverzichtsprämie nebst Grundabfindung allerdings auch der Kappungsgrenze in Höhe von EUR 75.000,00. Weiterhin sei die Kappungsgrenze wirksam und verstoße nicht gegen § 75 Abs. 1 BetrVG in Verbindung mit §§ 1, 7 AGG. Keiner der Arbeitnehmer, die jünger als der Kläger sind, erhalte eine höhere Abfindung. Insgesamt bliebe damit eine sich mit steigendem Lebensalter grundsätzlich erhöhende Abfindung erhalten.
Aus dem Wortlaut und der rechtlichen Gestaltung der Klageverzichtsprämie ergäbe sich bereits, dass mit der Klageverzichtsprämie nicht im Interesse rascher Planungssicherheit eine zusätzliche Leistung versprochen wurde. Tatsächlich sollten vielmehr wesentliche Teile der Sozialplanabfindung selbst von der Voraussetzung des Klageverzichts abhängig gemacht werden. Die Klageverzichtsprämie knüpfe in ihrer inhaltlichen Ausgestaltung an die Sozialplanabfindung an und wolle wirtschaftliche Nachteile der Arbeitnehmer ausgleichen bzw. abmildern. Ausgedrückt werde dies in einer Erhöhung des Faktors für die Bemessung der Sozialplanabfindung um 0,25. Insgesamt ergäbe sich daraus ein einheitlicher Faktor, der sich aus einer „sozialplantypischen Rechengröße“ (dem Lebensalter) und einer „sozialplanwidrigen Größe“ (der Erhöhung für den Klageverzicht) zusammensetze.
Eine ähnliche Regelung hatte das BAG (BAG v. 9. Dezember 2014 – 1 AZR 146/13) seinerzeit nicht beanstandet. Nach Auffassung des LAG sei die damalige Konstellation mit der hiesigen jedoch nicht vergleichbar. Anders als damals sei der Betrag der Klageverzichtsprämie nur unter Hinzuziehung des Sozialplans und der dort für die Sozialplanabfindung geltenden Kriterien zu ermitteln. Weiterhin sei hier anders als im damaligen vom BAG entschiedenen Fall der Zweck der „Erlangung alsbaldiger Planungssicherheit“ nicht ausdrücklich in der entsprechenden Betriebsvereinbarung genannt gewesen. Zudem sei nicht zu erkennen, dass die Betriebsparteien eine freiwillige Betriebsvereinbarung schließen wollten und die Gewährung zusätzlicher freiwilliger Leistungen außerhalb des Sozialplanvolumen beabsichtigt war. Die Revision wurde zugelassen (Az. 1 AZR 570/20).
II. Fazit
Die oben dargestellte Entscheidung des LAG Nürnberg unterstreicht einmal mehr, dass Anreize zum Klageverzicht in einer gesonderten freiwilligen Betriebsvereinbarung zu vereinbaren sind. Darin ist herauszustellen, dass kein Bezug zum eigentlichen Sozialplanvolumen besteht und der Zweck der Klageverzichtsprämie in dem planbaren Abbau von Arbeitsstellen liegt.