Restrukturierung und Sozialplan | Re.Work | GÖRG Blog

Restrukturierung und Sozialplan

Größere Restrukturierungen ohne Sozialplan gibt es selten, weshalb er bei der Planung von Umstrukturierungen stets mit zu bedenken ist. Was ein Sozialplan ist, was er regeln kann und wie er zustande kommen kann, soll dieser Beitrag beleuchten.

Restrukturierungen sind häufig mit Betriebsänderungen i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG verbunden, die nach § 111 BetrVG Informations- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats auslösen, wenn diese eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 S. 3 Nr. 1 bis 5 BetrVG darstellen und das Unternehmen in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer hat. In diesen Fällen ist sodann auch ein Sozialplan gem. § 112 BetrVG zu schließen.

Der Sozialplan wird in § 112 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) als Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Ausgleich oder die Milderung wirtschaftlicher Nachteile, die den Arbeitnehmern infolge einer geplanten Betriebsänderung i. S. d. § 111 BetrVG entstehen definiert.

Inhalt und Grenzen des Sozialplans

Inhalt des Sozialplans können alle erdenklichen Regelungen sein, die diesen Zweck verfolgen. Dabei sind die Betriebsparteien grundsätzlich frei darin, welche Nachteile sie wie und in welchem Umfang ausgleichen oder abmildern. Bei Betriebsverlegungen können beispielsweise Umzugshilfen und Fahrtkostenhilfen vereinbart werden, bei der Änderung der Arbeitsmethoden Ausgleichszahlungen für diejenigen Arbeitnehmer, die infolge geänderter Arbeitsinhalte eine geringere Vergütung erhalten. Da die meisten sozialplanpflichtigen Betriebsänderungen nach § 111 BetrVG den Verlust von Arbeitsplätzen mit sich bringen, drehen sich die Verhandlungen aber meistens vor allem um die Modalitäten und die Höhe von Abfindungszahlungen.

Seine Grenzen findet der Sozialplan in zwingendem höherrangigen Recht und in Regelungen, die seinem Zweck zuwiderlaufen, indem sie zu Lasten der betroffenen Arbeitnehmer gehen. Der Sozialplan beschränkt die Rechte der Arbeitnehmer nicht. So kann ein Arbeitnehmer z.B. weiterhin Kündigungsschutzklage erheben und auch versuchen im Rahmen des Prozesses eine höhere Abfindung zu erstreiten. Unzulässig ist es, die Wahrnehmung dieser Rechte mit Nachteilen zu verknüpfen. Die Betriebsparteien dürfen weder im Sozialplan selbst noch in einer separaten Betriebsvereinbarung die Abfindung für klagende Arbeitnehmer reduzieren oder sogenannte Klageverzichtsprämien zusprechen. Es ist generell nicht erlaubt, Arbeitnehmer ohne sachlichen Grund Vorteile aus dem Sozialplan vorzuenthalten oder diese im Verhältnis zu anderen Arbeitnehmern zu verringern.

Zuständiger Betriebsrat und Rechtswirkungen des Sozialplans

Je nachdem ob mehrere Betriebe bzw. Unternehmen betroffen sind, können neben dem örtlichen Betriebsrat auch der Gesamt- (§ 50 Abs. 1 BetrVG) oder sogar der Konzernbetriebsrat (§ 58 Abs. 1 BetrVG) für die Aufstellung des Sozialplans zuständig sein. Da aber Voraussetzung dafür ist, dass die Ausgleichs- oder Abmilderungsregelung zwingend betriebsübergreifend erfolgen muss, wird es in aller Regel aber bei der Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats bleiben. Die Zuständigkeit für den Interessenausgleich und den Sozialplan können hierbei auseinanderfallen.

Der Sozialplan hat die Wirkung einer Betriebsvereinbarung (§ 112 Abs. 1 S. 3 BetrVG). Der Arbeitnehmer kann die hieraus entstehenden Ansprüche unmittelbar gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Eine eventuelle Konkurrenz zu häufig von den Tarifparteien vereinbarten Tarifsozialplänen ist unschädlich. Gem. § 112 Abs. 3 S. 1 BetrVG gilt der Vorrang von Tarifverträgen nicht, sondern es bleibt beim sogenannten Günstigkeitsprinzip. Das heißt, die Regelung, die für den Arbeitnehmer vorteilhafter ist, findet Anwendung. Wenn also im Betriebssozialplan eine höhere Abfindung vereinbart ist, kann der Arbeitnehmer diese in Anspruch nehmen. Gleichzeitig kann er sich auf eventuelle Vorteile aus dem Tarifsozialplan berufen, die im betrieblichen Sozialplan nicht vorgesehen sind.

Sozialplanvolumen und Höhe der Abfindungen

Das Volumen des Sozialplans bestimmt sich in erster Linie danach, was für die Abmilderung bis hin zur Kompensation der wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer erforderlich ist. Hierbei ist die aktuelle Arbeitsmarktlage in den jeweiligen Tätigkeitsfeldern von besonderer Bedeutung. Außerdem spielt die wirtschaftliche Lage des Unternehmens für die Bestimmung des Volumens eine Rolle. Ein Sozialplan sollte nicht wirtschaftlich unvertretbar (vgl. § 112 Abs. 5 S. 1 BetrVG) sein. Der Arbeitgeber kann hierbei die (mangelnde) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit mithilfe einer Liquiditätsprognose konkret darlegen. Die Parteien können sich auch daran orientieren, was das Unternehmen durch die Betriebsänderung in Zukunft einsparen wird.

Bei der Berechnung der einzelnen Abfindungen einigen sich die Betriebsparteien in der Regel auf einen Faktor, welcher mit der Beschäftigungsdauer in Jahren und dem Bruttomonatsgehalt multipliziert wird. Dieser Faktor bewegt sich häufig zwischen 0,5 und 1,0, kann aber mitunter erheblich nach oben und auch nach unten abweichen. Oft werden auch eine Mindestabfindung und eine Deckelung der Abfindung vereinbart oder das Alter der Arbeitnehmer berücksichtigt. Die Berechnung einer Abfindung könnte wie folgt aussehen:

3.500 Euro (Bruttomonatsgehalt) x 17 (Beschäftigungsjahre) x 0,75 (Faktor) = 44.625 Euro Abfindung

Wenn der Sozialplan aber z.B. eine Deckelung bei 40.000 Euro vorsähe, erhielte der Arbeitnehmer im Beispiel allerdings nur 40.000 Euro.

Wird der Sozialplan nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgestellt, ist die Abfindung auf 2,5 Bruttomonatsgehälter begrenzt, § 123 Abs. 1 InsO.

Erzwungener Sozialplan

Können sich die Betriebsparteien über den Sozialplan nicht einigen, kann dieser über die Einigungsstelle erzwungen werden. Beide Parteien sind berechtigt, bei einer gescheiterten Einigung unmittelbar die Einigungsstelle anzurufen. Die Einigung der Betriebsparteien wird dann durch einen Spruch der Einigungsstelle ersetzt, § 112 Abs. 4 BetrVG. Ausnahmen von der Erzwingbarkeit des Sozialplans gelten bei kleinen, § 111 BetrVG und bei Jungunternehmen, § 112 a Abs. 2 BetrVG. Auch wenn die geplante Betriebsänderung nur in Entlassungen von Arbeitnehmern besteht, ergeht ein Einigungsstellenspruch nur, wenn der Anteil der zu entlassenden Arbeitnehmer einen bestimmten Schwellenwert überschreitet, § 112 a Abs. 1 BetrVG. Je größer das Unternehmen ist, desto kleiner ist hierbei der Schwellenwert. In allen anderen Fällen kann der Sozialplan im Gegensatz zum Interessenausgleich gegen den Willen des Arbeitgebers durchgesetzt werden – man spricht vom erzwungenen Sozialplan.

Bei ihrer Entscheidung muss die Einigungsstelle sowohl die sozialen Belange der Arbeitnehmer berücksichtigen als auch auf die wirtschaftliche Vertretbarkeit für das Unternehmen achten, § 112 Abs. 5 BetrVG. Hierbei muss sie sich insbesondere von den in § 112 Abs. 5 Nr. 1 bis 3 BetrVG aufgezählten Grundsätzen leiten lassen.

Während der Spruch der Einigungsstelle zwar vor Gericht überprüft werden kann, ist der Prüfungsmaßstab deutlich eingeschränkt. Denn hält der Arbeitgeber die durch die Einigungsstelle festgelegten Abfindungssummen für zu hoch, wird er nach der Rechtsprechung des BAG nur damit gehört, dass das Abwägungsergebnis zu seinen Lasten fehlerhaft ist (Beschluss v. 06. Mai 2003 – 1 ABR 11/02; Beschluss v. 7.5.2019 – 1 ABR 54/17).

Das ist einerseits der Fall, wenn der Spruch der Einigungsstelle die Arbeitnehmer überkompensiert, das heißt, dass diese durch die Betriebsänderung und den Sozialplan wirtschaftlich besser dastehen als vorher. Bei einer guten Arbeitsmarktlage führen häufig schon Faktoren von über 1,0 zu einer Überkompensation.

Auf der anderen Seite kann der Arbeitgeber die wirtschaftliche Unvertretbarkeit der Kompensation monieren – aber Achtung: Die Einigungsstelle kann in manchen Fällen bis an den Rand der Insolvenz des Unternehmens gehen. Sollte es sich um ein Konzernunternehmen handeln und ein Beherrschungs- oder ein Gewinnabführungsvertrag bestehen, darf sie unter Umständen einen sogenannten Bemessungsdurchgriff durchführen. Dabei legt sie auch die wirtschaftliche Lage des beherrschenden Unternehmens zugrunde.

Der Betriebsrat kann sich gegen den Spruch wehren, wenn die Kompensation so gering ist, dass sie nicht einmal dazu geeignet ist, die wirtschaftlichen Nachteile der Arbeitnehmer abzumildern. Dies dürfte ihm allerdings nur selten gelingen, da aufgrund von Sozialleistungen auch schon bei geringen Abfindungen eine Überbrückungswirkung erzielt werden kann. Außerdem steht auch diese Untergrenze unter dem Vorbehalt der wirtschaftlichen Vertretbarkeit. Bei besonders schlechter wirtschaftlicher Lage kann auch bei Entlassungen sogar ein sogenannter „Null-Sozialplan“ ohne Abfindungsleistungen zulässig sein.

Die Stichhaltigkeit der im Einigungsstellenverfahren angestellten Erwägungen selbst kontrolliert das Gericht nicht.

Fazit

Muss im Rahmen einer Restrukturierung ein Sozialplan vereinbart werden, dreht sich der Streit zwischen den Betriebsparteien häufig um die Höhe der Abfindungszahlungen an die Beschäftigten für den Verlust des Arbeitsplatzes. Es empfiehlt sich für den Arbeitgeber bei den Verhandlungen mit dem Betriebsrat und dem Gang zur Einigungsstelle gut vorbereitet zu sein. Er sollte stets mit den Statistiken der Agentur für Arbeit arbeiten sowie eine Liquiditätsprognose durchführen, um eine Überkompensation oder die wirtschaftliche Unvertretbarkeit der Forderung des Betriebsrates überzeugend darlegen zu können.

Der Arbeitgeber sollte stets anstreben mit dem Betriebsrat eine Einigung über den Sozialplan zu erzielen und einen Einigungsstellenspruch zu vermeiden. Da der Spruch der Einigungsstelle für beide Parteien nur schwer vorhersehbar und steuerbar ist sowie nur einer begrenzen gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Auf der anderen Seite ist zu einem schnellen Gang zur Einigungsstelle zu raten, wenn sich abzeichnet, dass die Verhandlungen ins Stocken geraten sind und es absehbar auf einen Einigungsstellenspruch hinausläuft. In diesem Fall kann durch ein schnelles Anrufen der Einigungsstelle vermieden werden, dass sich notwendige betriebliche Änderungen weiter verzögern.

  • xing
  • linkedin
  • twitter
Kategorien

, ,