Die Frage, ob sog. „Bagatellabspaltungen“ (oder auch „Bagatellausgründungen“) Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach den §§ 111, 112 BetrVG auslösen, beschäftigt immer wieder die Praxis. Führt der Arbeitgeber eine sog. Betriebsänderung nach § 111 BetrVG durch, hat er zuvor mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich abzuschließen oder den Abschluss zumindest zu versuchen. Sollte die Betriebsänderung darüber hinaus mit wirtschaftlichen Nachteilen für die Belegschaft des (abgespaltenen) Betriebes verbunden sein, trifft den Arbeitgeber auch die Pflicht zum Abschluss eines Sozialplans, der die wirtschaftlichen Nachteile kompensiert (§ 112 BetrVG). Der Arbeitgeber ist regelmäßig gut beraten, einen Interessenausgleich abzuschließen oder den Abschluss zumindest zu versuchen, will er nicht Gefahr laufen, dass die von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer sog. Nachteilsausgleichsansprüche (§ 113 BetrVG) geltend machen. Hinzu kommt, dass dem Betriebsrat Unterlassungsansprüche gegen den Arbeitgeber zustehen können, sollte der Arbeitgeber die Betriebsänderung ohne die Beteiligung des Betriebsrates durchführen wollen. Ob derartige Unterlassungsansprüche bestehen, bestimmt sich regelmäßig danach, wo der Betrieb gelegen ist. Die in Deutschland bestehenden Landesarbeitsgerichte vertreten hierzu keine einheitliche Meinung, sodass stets anhand der geografischen Lage des Betriebes zu prüfen ist, ob von dem dort zuständigen Landesarbeitsgericht derartige Ansprüche anerkannt werden oder nicht. Unabhängig davon ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Durchführung einer Betriebsänderung ohne die Einbeziehung des Betriebsrates eine Ordnungswidrigkeit darstellen kann, die mit einer Geldbuße von bis zu € 10.000,00 geahndet werden kann (§ 121 BetrVG). Es empfiehlt sich daher stets, bei jeder Form der Restrukturierung eines Betriebes zuvor zu prüfen, ob diese in den Anwendungsbereich des § 111 BetrVG fällt und damit eine „Betriebsänderung“ darstellt.
Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn in größeren Betrieben nur ein kleiner Teil der Belegschaft von einer geplanten Restrukturierung betroffen ist. Ein Fall aus der Praxis mag die Situation illustrieren: In einem Betrieb mit etwa 900 Arbeitnehmern soll ein Teilbereich mit nur 6 Arbeitnehmern auf eine konzernangehörige Schwestergesellschaft ausgelagert werden. Die Auslagerung soll in Form eines Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB erfolgen, sodass die 6 Arbeitnehmer künftig solche eines anderen Arbeitgebers sein sollen. Das abgebende Unternehmen hat diese „Bagatellspaltung“ nicht als eine mitbestimmungsrelevante Maßnahme bewertet und wollte diese ohne entsprechende Mitbestimmung des bei ihr eingerichteten Betriebsrates durchführen. Der Betriebsrat vertrat dagegen die Auffassung, dass auch im Falle einer „Bagatellabspaltung“ ein vorhergehender Interessenausgleich notwendig ist. Man mag meinen, dass dieser Fall in der Rechtsprechung bereits abschließend entschieden worden ist, doch ist dies nicht der Fall. Auch in der Literatur ist man sich uneins darüber, ob Bagatellabspaltungen tatsächlich „Betriebsänderungen“ i. S. d. § 111 BetrVG darstellen. Einschlägig ist hier zunächst § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG, wonach der „Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von Betrieben“ eine mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung darstellt, die den vorhergehenden Abschluss eines Interessenausgleichs erfordert. In der Literatur wird die Meinung vertreten, dass eine mitbestimmungspflichtige Spaltung von Betrieben nach § 111 Satz 1 Nr. 3 BetrVG nur dann vorliegen kann, wenn „erhebliche Teile der Belegschaft betroffen“ sind. Insoweit wird auf § 111 Satz 1 BetrVG verwiesen, der einleitend von „wesentlichen Nachteilen für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft“ spricht, wenn dort die Betriebsänderung definiert wird. Das Bundesarbeitsgericht sieht dies jedoch anders und geht davon aus, dass auch Bagatellabspaltungen eine Betriebsänderung darstellen können, wenn der abgespaltene Betriebsteil eine „veräußerungsfähige Einheit“ darstellt, was nach Auffassung des BAG erst bei einer wirtschaftlich relevanten Größenordnung einer abgrenzbaren, eigenständigen Struktur gegeben sein soll. In einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 wurden in einem Betrieb mit 275 Arbeitnehmern insgesamt 24 Arbeitnehmer auf ein anderes Unternehmen ausgegliedert, was aus Sicht des BAG eine „Betriebsspaltung“ in einem relevanten Umfang darstellte. Offengelassen wurde aber, wo die Grenze zur Bagatellabspaltung liegen soll. Da letztlich auch kleine und durchaus unbedeutende Betriebsteile eines großen Betriebs handelbar und damit verkaufsfähig sind, müsste nach dieser Argumentation auch ein Betriebsteil mit nur 6 von insgesamt 900 Arbeitnehmern des Betriebs eine relevante Größe darstellen, wenn es sich um einen abgrenzbaren Teil handelt, der veräußerungsfähig ist. So hat beispielsweise auch das Landesarbeitsgericht Bremen in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 angenommen, dass die Abspaltung eines Betriebsteils mit 8 Arbeitnehmern von insgesamt 188 eine Betriebsänderung i. S. d. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG darstelle. In der Konsequenz hatten hiernach die 8 abgespaltenen Arbeitnehmer der Cafeteria des Betriebes mit 188 Arbeitnehmern Nachteilsausgleichsansprüche gegen den Arbeitgeber, der keinen vorhergehenden Interessenausgleich abgeschlossen oder wenigstens versucht hatte.
Da die Frage, ob und wenn ja, ab welcher Größenordnung Bagatellabspaltungen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates nach §§ 111, 112 BetrVG auslösen, nicht abschließend geklärt ist, ist es stets zu empfehlen, auch vor kleineren Restrukturierungsmaßnahmen zuvor zu prüfen, ob die geplante Maßnahme bereits einen Fall des § 111 BetrVG darstellt. Andernfalls kann bei Vorliegen einer Betriebsänderung nicht ausgeschlossen werden, dass den von der Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmern insbesondere Nachteilsausgleichsansprüche zustehen und der Betriebsrat Unterlassungsansprüche geltend machen kann, um die Durchführung der geplanten Betriebsänderung zu verhindern.