Sind im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Restrukturierung Entlassungen in mitbestimmten Betrieben vorgesehen, deren Ausmaß die Schwellenwerte für Massenentlassungen in § 17 Abs. 1 KSchG übersteigt, muss vor Erstattung der Massenentlassungsanzeige ein Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG durchgeführt werden. In diesem Konsultationsverfahren muss dem Betriebsrat zum Zwecke der Beschäftigungssicherung die Möglichkeit eingeräumt werden, konstruktive Vorschläge zur Vermeidung oder Einschränkung der Entlassungen sowie deren Folgen zu unterbreiten und hierüber mit dem Arbeitgeber ergebnisoffen zu beraten. Der in jüngerer Vergangenheit zu beobachtende stärkere Fokus auf das Konsultationsverfahren in der Restrukturierungsplanung und Beratungspraxis ist nur folgerichtig, kann die fehlerhafte Durchführung des Verfahrens doch zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen führen.
Die Zuständigkeiten
Zu Beginn eines jeden Beteiligungsverfahren stellt sich zunächst die Frage, welches Gremium eigentlich zu beteiligen ist. Mit Blick auf den Betriebsrat gilt insoweit auch für das Konsultationsverfahren – trotz Regelung im Kündigungsschutzgesetz – die betriebsverfassungsrechtliche Kompetenzzuweisung, sodass grundsätzlich der lokale Betriebsrat zuständig ist. Anderes kann sich allerdings dann ergeben, wenn der Personalabbau z. B. auf einem unternehmens- oder konzerneinheitlichen Konzept beruht und sich damit die originäre Zuständigkeit auf den Gesamt- oder gar den Konzernbetriebsrat verlagert. Wird ein Betriebsrat erst gebildet, wenn die unternehmerische Entscheidung bereits getroffen und mit deren Umsetzung begonnen wurde, muss grundsätzlich nachträglich kein Konsultationsverfahren durchgeführt werden. Die Frage der Zuständigkeit ist im Einzelfall sorgfältig zu prüfen und sollte gegebenenfalls durch eine vorsorgliche Delegation der Kompetenzen auf das Gremium, mit dem letztlich konsultiert wird, abgesichert werden.
Mit Blick auf die Erweiterung des Kreises zu beteiligender Arbeitnehmervertretungen hatte zuletzt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2019 für Rechtunsicherheiten gesorgt, war man dort doch der Meinung, dass neben dem Betriebsrat auch die Schwerbehindertenvertretung nach § 17 Abs. 2 KSchG zu konsultieren sei. Das Bundesarbeitsgericht ist dieser Entscheidung am 13. Februar 2020 (6 AZR 146/19) erfreulich schnell entgegengetreten und hat klargestellt, dass neben dem Betriebsrat die Schwerbehindertenvertretung – gleiches dürfte z. B. für den Jugendausschuss gelten – nicht zusätzlich in das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG einbezogen werden muss. Gleichwohl ist damit eine Pflicht zur Konsultation anderer Arbeitnehmervertretungen, die z. B. durch Tarifvertrag errichtet wurden (§ 117 Abs. 2 BetrVG) und an die Stelle des Betriebsrates treten, nicht vom Tisch. Diese sind sehr wohl nach § 17 Abs. 2 KSchG zu konsultieren, wenn die durch sie vertretenen Arbeitnehmergruppen nicht bereits durch den Betriebsrat vertreten werden. Ob dies auch für die Fälle gilt, in denen leitende Angestellte durch den Sprecherausschuss repräsentiert werden, ist bisher nicht abschließend geklärt.
Der zeitliche Ablauf
Das Konsultationsverfahren ist nach der kryptischen Beschreibung in § 17 Abs. 2 KSchG „rechtzeitig“ einzuleiten. Da es dem Betriebsrat nach Sinn und Zweck möglich sein soll, Einfluss auf die Entscheidung des Arbeitgebers zu nehmen, sollte die Konsultation möglichst frühzeitig erfolgen. Unumkehrbare und die Entlassungen bedingende Maßnahmen des Arbeitgebers (z. B. der Verkauf aller Produktionsmaschinen) dürfen jedenfalls noch nicht vollzogen werden. Mit Blick auf § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG sollte die Konsultation spätestens zwei Wochen vor dem geplanten Datum für die Erstattung der Massenentlassungsanzeige erfolgen. Kommt nämlich im Rahmen des Verfahrens (erst einmal) keine Einigung mit dem Betriebsrat zustande und weigert er sich zudem das Verfahren mit einer abschließenden Stellungnahme für beendet zu erklären, kann die Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs. 1 KSchG erst erstattet werden, wenn dem Betriebsrat zwei Wochen zuvor alle zweckdienlichen Auskünfte über die Umstände der Entlassungen zugeleitet wurden. Dies ist gegenüber der Agentur für Arbeit glaubhaft zu machen.
Die inhaltlichen Anforderungen
Dem Betriebsrat sind zu Beginn des Verfahrens die zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen und er ist insbesondere über die in § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-6 KSchG aufgezählten Punkte in Textform zu unterrichten:
- die Gründe für die geplanten Entlassungen,
- die Zahl und die Berufsgruppen der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die Zahl und die Berufsgruppen der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer,
- den Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen,
- die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer,
- die für die Berechnung etwaiger Abfindungen vorgesehenen Kriterien.
Arbeitgebern ist dringend anzuraten, die Übergabe der vollständigen Unterlagen hinreichend (z. B. durch Empfangsbestätigungen) zu dokumentieren. Eine Abschrift des Unterrichtungsschreibens an den Betriebsrat ist zudem der Agentur für Arbeit zukommen zu lassen, die mindestens die Angaben aus § 17 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 5 KSchG enthalten muss.
Um ihren ernsthaften Beratungswillen zu dokumentieren, sollten Arbeitgeber in das Unterrichtungsschreiben Terminvorschläge für weitere Beratungen oder jedenfalls die Aufforderung zur Vereinbarung weiterer Beratungstermine aufnehmen. Reagiert der Betriebsrat nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums, kann der Arbeitgeber das Verfahren als beendet ansehen.
Folgt der Betriebsrat der Aufforderung des Arbeitgebers, muss sich dieser mit den Vorschlägen des Betriebsrats im Zuge der weiteren Beratungen ernstlich befassen. Diese Beratungen unterliegen zwar keinerlei Formvorschriften, gleichwohl kann es ratsam sein, aus Beweiszwecken Protokolle über die Beratungen zu erstellen.
Schließlich sollten sich Arbeitgeber um eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats bemühen, die das Konsultationsverfahren rechtssicher beendet. Diese enthält die Erklärung des Betriebsrates, dass er seine Beteiligungsrechte als gewahrt ansieht und er eine abschließende Meinung zu den geplanten Kündigungen geäußert hat. Eine solche Stellungnahme birgt eine Reihe von Vorteilen. Zunächst muss der Arbeitgeber für die Massenentlassungsanzeige die vollständige und rechtzeitige Information des Betriebsrates nicht nach § 17 Abs. 3 S. 3 KSchG glaubhaft machen. Außerdem werden der Rechtsprechung nach durch die abschließende Stellungnahme Formfehler im Konsultationsverfahren geheilt.
Die Verbindung mit anderen Beteiligungsverfahren
Fälle größeren Personalabbaus stellen regelmäßig auch eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG dar, welche zusätzliche Beteiligungsverfahren über einen Interessenausgleich und Sozialplan auslösen. Wenngleich es sich hierbei grundsätzlich um rechtlich zu unterscheidende Beteiligungsverfahren handelt, kann das Konsultationsverfahren mit ihnen verbunden werden. Allerdings ist dann klarzustellen und zu dokumentieren, dass mit der Beteiligung im Rahmen der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen auch die Verpflichtungen aus dem Konsultationsverfahren erfüllt werden sollen. Denn selbst der Abschluss eines Interessenausgleich erfüllt die Beratungspflicht im Rahmen des Konsultationsverfahrens nach § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG nicht ohne Weiteres. Lediglich der Interessenausgleich mit Namensliste ersetzt nach § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG und § 125 Abs. 2 InsO die Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige des Arbeitgebers bei einer Massenentlassung.
Das Fazit
Die erfolgreiche Umsetzung einer Restrukturierung mit entsprechendem Personalabbau hängt nicht nur vom Ausgang der Interessenausgleichs- und Sozialplanverhandlungen oder der ordnungsgemäßen Erstattung der Massenentlassungsanzeige ab. Arbeitgeber sind gut beraten, auch das der Massenentlassungsanzeige vorgeschaltete Konsultationsverfahren sorgfältig durchzuführen. Wenngleich das Verfahren einige Stolpersteine bereithält, lassen sich diese durch eine sorgfältige Vorbereitung und frühzeitige Planung des Verfahrens gut überwinden.