Interessenausgleich mit Namensliste – drei Vorteile für Arbeitgeber | Re.Work | GÖRG Blog

Interessenausgleich mit Namensliste – drei Vorteile für Arbeitgeber

Ein Interessenausgleich mit Namensliste kann Arbeitgebern einen Stellenabbau erheblich erleichtern. Wir erklären die Vorteile und die Umsetzung.

Das Wichtigste im Überblick:

  • Arbeitgeber und Betriebsrat können im Interessenausgleich einzelne Mitarbeiter bestimmen, die entlassen werden.
  • Dieser Interessenausgleich mit Namensliste vereinfacht dem Arbeitgeber die Kündigung deutlich.
  • Klagt der Arbeitnehmer, prüfen die Gerichte die Kündigung nur noch sehr eingeschränkt.
  • Das Instrument eignet sich insbesondere beim Stellenabbau jenseits einer Betriebsstilllegung.

1. Was ist ein Interessenausgleich mit Namensliste?

Baut der Arbeitgeber Stellen ab, ist meist die Rede von einer sog. Betriebsänderung. Sie hat zur Folge, dass der Betriebsrat umfangreich am Stellenabbau zu beteiligen ist.

Unter anderem soll ein Interessenausgleich zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat stattfinden. Dessen Gegenstand ist die Frage, ob, wann und wie eine Betriebsänderung durchgeführt wird.

Im Rahmen eines solchen Interessenausgleichs können Arbeitgeber und Betriebsrat diejenigen Arbeitnehmer namentlich auflisten, denen aufgrund der geplanten Betriebsänderung gekündigt werden soll. Im normalen Geschäftsbetrieb greift dann die Rechtsfolge des § 1 Abs. 5 KSchG. Erfolgt die Einigung dagegen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zwischen Insolvenzverwalter und Betriebsrat, so ist die speziellere Regelung des § 125 InsO einschlägig.

Praxishinweis von Rechtsanwalt Dr. Frank Wilke

Solche Namenslisten können ein typisches Problem bei Restrukturierungen lösen:

Irgendwann steht die Anzahl der Mitarbeiter fest, die das Unternehmen verlassen müssen, aber nicht wer konkret. Besonders rechtssicher wäre die Bestimmung streng nach den Kriterien der Sozialauswahl. Aus betrieblicher Sicht stellt sich die Interessenlage aber meistens anders dar. Dem Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter ist es in der Regel erst einmal vollkommen egal, wie sozial schutzwürdig sich ein Mitarbeiter im Rahmen einer Sozialauswahl darstellt; er muss dafür Sorge tragen, dass der Betrieb auch nach der Restrukturierung funktioniert. Die Leistungsfähigkeit des Betriebs wird es aus seiner Sicht aber durchaus erforderlich machen, zumindest teilweise von der Sozialauswahl abzuweichen. In diesem Dilemma können Namenslisten weiterhelfen, die mehr Flexibilität bieten.

II. Diese drei Vorteile hat ein Interessenausgleich mit Namensliste

Der Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste hat für den Arbeitgeber oder Insolvenzverwalter einige Vorteile. Diese drei sind besonders wichtig:

1. Kündigungsanlass wird vermutet

Zunächst wird vermutet, dass die Kündigung der Arbeitsverhältnisse der bezeichneten Arbeitnehmer durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist.

Wie hilft diese Vermutung Arbeitgebern?

Diese Vermutung reicht weit: Sie umfasst

  • den Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit und
  • das Fehlen einer anderen Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Unternehmen.

Für die meisten Fälle bedeutet dies, dass das Arbeitsgericht den Kündigungsgrund nicht in Zweifel ziehen wird. Der Arbeitnehmer kann diese Vermutung zwar widerlegen, jedoch obliegt ihm insoweit der Vollbeweis. Er muss also durch substantiierten Tatsachenvortrag darlegen und im Streitfall beweisen, dass tatsächlich keine dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung vorliegen. Das wird ihm in aller Regel nicht gelingen. In der Praxis wird die gesetzliche Vermutung deshalb auch nur im absoluten Ausnahmefall widerlegt werden können.

Beispiel: Der Arbeitnehmer kann konkret eine Stelle im Betrieb nennen, die im Zeitpunkt der Kündigung frei ist und mit seiner bisherigen Tätigkeit vergleichbar ist.

Welche Grenzen hat die Vermutung?

Zu beachten ist allerdings, dass sich die Umkehr der Darlegungs- und Beweislast nur auf die Betriebsbedingtheit der Kündigung bezieht. Alle übrigen Voraussetzungen der Kündigung werden vom Arbeitsgericht uneingeschränkt geprüft. Dazu zählen etwa:

  • Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats
  • Die Beachtung der Vorschriften zum Sonderkündigungsschutz (Schwangere, Betriebsratsmitglieder, Schwerbehinderte,...)
  • Die fehlerfreie Abgabe der Massenentlassungsanzeige bei der Arbeitsagentur gem. § 17 Abs. 1 KSchG

Darüber hinaus gilt die Vermutungswirkung nicht auf ewig. Ändern sich die Umstände zwischen Abschluss des Interessenausgleichs und Zugang der Kündigung wesentlich, entfällt die Vermutung und die Chancen des Arbeitnehmers auf einen erfolgreichen Kündigungsschutzprozess steigen. Ändern sich die Umstände erst nach dem Zugang der Kündigung, kommt allenfalls ein Wiedereinstellungsantrag in Betracht. Aus Sicht des Arbeitgebers sollten die im Interessenausgleich vorgesehenen Kündigungen möglichst zügig nach Abschluss des Interessenausgleichs ausgesprochen werden.

Beispiele für wesentliche Änderungen:

  • Bei Abschluss des Interessenausgleichs ging man von einer Betriebsstilllegung aus. Nun konnte der Betrieb überraschend verkauft werden.
  • Ein neuer Auftrag macht einen Großteil der Entlassungen entbehrlich.

2. Sozialauswahl ist kaum angreifbar

Ferner hat eine Namensliste auch Folgen für eine ggf. vorzunehmende Sozialauswahl. Diese ist nach Vereinbarung einer Namensliste nämlich nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüfbar.

Grob fehlerhaft ist eine soziale Auswahl, wenn eine evidente, ins Auge springende Abweichung von den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 S. 3 KSchG (die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers) vorliegt und der Interessenausgleich, insbesondere bei der Gewichtung der Auswahlkriterien, jede Ausgewogenheit vermissen lässt.

Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit bezieht sich zum einen natürlich auf die sozialen Indikatoren und deren Gewichtung. Die Sozialauswahl ist allerdings auch hinsichtlich dieser Aspekte weniger leicht angreifbar:

  • Die Bildung des auswahlrelevanten Personenkreises (inkl. die tatsächliche Austauschbarkeit der Arbeitnehmer und auf die zumutbare Dauer der Einarbeitungszeit).
  • Die Anwendung des Betriebsbegriffs sowie die Zuordnung der Arbeitnehmer zu einem bestimmten Betrieb oder Betriebsteil.
  • Die Herausnahme einzelner Arbeitnehmer aus einer Vergleichsgruppe, sofern dies gemäß § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG der Erhaltung bzw. gemäß § 125 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InsO auch der Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur dient.

Grobe Fehlerhaftigkeit hat das Bundesarbeitsgericht dagegen bspw. für den Fall angenommen, dass

  • die Betriebspartner den auswahlrelevanten Personenkreis der austauschbaren und damit vergleichbaren Arbeitnehmer willkürlich bestimmt oder nach unsachlichen Gesichtspunkten eingegrenzt haben,
  • unsystematische Altersgruppen mit wechselnden Zeitsprüngen gebildet haben,
  • eines der sozialen Grundkriterien überhaupt nicht berücksichtigt oder zusätzlichen Auswahlkriterien eine überhöhte Bewertung beigemessen haben,
  • bei der Bestimmung des Kreises vergleichbarer Arbeitnehmer die Austauschbarkeit offensichtlich verkannt haben,
  • den Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG (Herausnahme von Schlüsselarbeitskräften aus der Sozialauswahl) augenfällig überdehnt haben oder
  • von einer durch ein Punkteschema vorbereiteten Sozialauswahl ohne erkennbaren Grund in erheblicher Weise abgewichen sind.

In der Insolvenz beschränkt sich die Sozialauswahl auf die sozialen Kriterien Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten. Abweichend vom Normalfall bleibt eine etwaige Schwerbehinderung des gekündigten Arbeitnehmers also grundsätzlich unberücksichtigt.

3. Massenentlassung vereinfacht

Gemäß § 1 Abs. 5 S. 4 KSchG und § 125 Abs. 2 InsO ersetzt der Interessenausgleich mit Namensliste die Stellungnahme des Betriebsrats zur Anzeige des Arbeitgebers bei einer Massenentlassung i.S.v. § 17 KSchG.

Praxishinweis von Dr. Frank Wilke

Zwar einigen sich die Betriebsparteien bereits in den Verhandlungen über die Namensliste, welche Arbeitnehmer entlassen werden. Trotzdem hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor Ausspruch der jeweiligen Kündigungen nach § 102 BetrVG ordnungsgemäß anzuhören. Für die Arbeitnehmervertretung muss eindeutig erkennbar sein, wann die Verhandlungen über den Interessenausgleich enden und die Anhörung beginnt. Grund dafür ist unter anderem, dass mit der Anhörung Fristen zu laufen beginnen.

III. Wann ist ein Interessenausgleich mit Namensliste sinnvoll, wann nicht?

Ein Interessenausgleich mit Namensliste bietet dem Arbeitgeber erhebliche Erleichterungen in etwaigen Kündigungsschutzprozessen und ist daher das nahezu perfekte Gestaltungsinstrument, um die mit einem Personalabbau verbundenen Risiken effektiv zu minimieren.

Da hierdurch ggf. auch die anfallenden Verfahrenskosten signifikant reduziert werden können, sollte in jedem Fall rechtzeitig ausgelotet werden, ob und unter welchen Bedingungen der Betriebsrat zu Verhandlungen über eine Namensliste bereit ist.

Praxishinweise von Dr. Frank Wilke

Ein Interessenausgleich mit Namensliste bietet sich insbesondere im Zuge eines bloßen Personalabbaus an, bei dem sich typischerweise jedenfalls Probleme hinsichtlich der Sozialauswahl ergeben.

Gut verzichtbar ist eine Namensliste dagegen im Falle einer vollständigen Betriebsstillegung. Hier ist eine Sozialauswahl von vorneherein entbehrlich und auch der tatsächliche Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeiten selten (nachhaltig) streitig.

In unserem Beitrag zum Ablauf des Interessenausgleichs erfahren Sie mehr dazu, wie die Einigung mit dem Betriebsrat zustande kommt.

IV. Welche Formalitäten sind zu beachten?

In formeller Hinsicht ist unter anderem Folgendes zu beachten:

  • Die Namensliste muss eine abschließende Bezeichnung der zu kündigenden Arbeitnehmer beinhalten. Dazu ist der Arbeitnehmer mit Familien- und idealerweise auch mit Vornamen und Geburtsdatum zu nennen.
  • Unzulässig ist es, die Namensliste unter dem Vorbehalt ihrer späteren Abänderung aufzustellen.
  • Die Namensliste muss mit dem Interessenausgleich eine einheitliche Urkunde bilden. Das ist der Fall, wenn sie entweder mit dem Interessenausgleich körperlich fest verbunden wird; hierfür genügt es, dass Namensliste und Interessenausgleich durch eine Heftklammer zusammengetackert werden, nicht aber, wenn sie nur durch eine bloße Büroklammer verbunden sind. Alternativ kann die Namensliste auch selbständig erstellt und von den Betriebsparteien unterschrieben werden; dann müssen Interessenausgleich und Namensliste aber jeweils eindeutig aufeinander Bezug nehmen. Dabei genügt es, dass die Namensliste erst nach dem Interessenausgleich vereinbart wird, wenn schon bei dessen Abschluss Einigkeit darüber bestand, dass eine solche Liste erstellt werden soll, sie jedoch noch nicht im Einzelnen abgestimmt war.

V. Wie hängen Namensliste und Sozialplan zusammen?

Wie dargestellt, ist die Namensliste Teil des Interessenausgleichs, nicht des Sozialplans. Das bedeutet zugleich: Weder Arbeitgeber noch Betriebsrat können die jeweils andere Betriebspartei zum Abschluss eines Interessenausgleichs mit Namensliste zwingen.

Allerdings werden Sozialplan und Namensliste häufig aufeinander abgestimmt. Da die Vereinbarung einer Namensliste in aller Regel im Interesse des Arbeitgebers liegt, lässt sich der Betriebsrat sein Einverständnis meistens durch Zugeständnisse an anderer Stelle (insbes. höhere Sozialplanabfindungen) „abkaufen“. In manchen Fällen lehnt der Betriebsrat den Abschluss einer Namensliste aber auch generell ab.

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