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Transfergesellschaft

I. Einleitung

Werden zur Umsetzung von Restrukturierungsmaßnahmen betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, sieht sich der Arbeitgeber oft mit Kündigungsschutzverfahren und den daraus folgenden Unwägbarkeiten konfrontiert, während für die betroffenen Arbeitnehmer nur die Zeit der oftmals kurzen Kündigungsfristen bleibt, um eine Anschlussbeschäftigung zu finden und den Eintritt der Arbeitslosigkeit zu vermeiden.

Die Einschaltung einer Transfergesellschaft, welche die zu entlassenden Arbeitnehmer für eine befristete Laufzeit in ein Transferarbeitsverhältnis „auffängt“, stellt in dieser Situation sowohl für Arbeitgeber wie auch für Arbeitnehmer oft eine sinnvolle Alternative zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen dar. Die betroffenen Arbeitnehmer gewinnen hierdurch nicht nur Zeit für die berufliche Neuorientierung, sondern erhalten in der Transfergesellschaft auch eine intensivere Betreuung und Unterstützung bei der Vermittlung in den Arbeitsmarkt. Sowohl den Arbeitnehmern als auch dem Arbeitgeber bietet die Transfergesellschaft in finanzieller und rechtlicher Hinsicht eine gesteigerte Planungssicherheit.

II. Voraussetzungen

Die Einrichtung einer Transfergesellschaft setzt voraus, dass eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung geplant ist. Besteht ein Betriebsrat, muss mit diesem eine Einigung über die Errichtung der Transfergesellschaft getroffen werden. Existiert kein Betriebsrat, kann der Arbeitgeber die Transfergesellschaft durch bloße Gesamtzusage einzurichten und den betroffenen Arbeitnehmern von sich aus anbieten. In beiden Fällen ist eine vorherige Beratung durch die Arbeitsagentur zwingende Voraussetzung für die Förderung der Maßnahme.

Sind alle Voraussetzungen erfüllt, schließt der Arbeitgeber einen Kooperationsvertrag mit dem Träger der Transfergesellschaft, in welchem sich dieser dazu verpflichtet, die Transfergesellschaft einzurichten und die Arbeitnehmer in ein Transferarbeitsverhältnis zu übernehmen. Die Finanzierung der Transfergesellschaft muss durch den Arbeitgeber vor Beginn der Transfermaßnahme gesichert sein, beispielsweise durch Einrichtung eines Treuhandkontos.

Grundsätzlich kommen alle sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nicht ruht, für einen Wechsel in die Transfergesellschaft in Betracht. Dauerkranke Arbeitnehmer, geringfügig Beschäftigte oder Arbeitnehmer in Elternzeit können grundsätzlich nicht in eine Transfergesellschaft wechseln. Letztere können ihre Elternzeit aber einvernehmlich vorzeitig beenden, um so einen Wechsel in die Transfergesellschaft zu ermöglichen.

Bevor der Wechsel erfolgen kann, hat das sog. „Profiling“ stattzufinden. Hierbei wird von der Transfergesellschaft im intensiven Austausch mit dem betroffenen Arbeitnehmer ein individuelles Qualifikationsprofil erstellt und bereits eine erste Einschätzung zu den Vermittlungschancen sowie zum Bedarf oder den Möglichkeiten einer zielgerichteten Weiterqualifizierung vorgenommen, Der Wechsel wird sodann durch Abschluss eines sog. „dreiseitigen Vertrags“ oder „Drei-Parteien-Vertrages“ vollzogen. Mit diesem werden zum einen die Aufhebung des zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Arbeitsvertrages und zum anderen die Begründung eines neuen, befristeten Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft vereinbart.

Der Abschluss des dreiseitigen Vertrages ist für den Arbeitnehmer freiwillig, d.h. eine Pflicht, in die Transfergesellschaft zu wechseln, besteht für ihn nicht.

III. Das Arbeitsverhältnis in der Transfergesellschaft

Das neu begründete (Transfer-)Arbeitsverhältnis wird durch die Agentur für Arbeit durch Gewährung von Transferkurzarbeitergeld gefördert. Die Agentur für Arbeit finanziert für einen Zeitraum von (derzeit) längstens 12 Monaten dadurch 60 oder 67 % der zuletzt bezogenen Nettovergütung, begrenzt auf die Beitragsbemessungsgrenze. Die nicht von dem Transferkurzarbeitergeld abgedeckten Kosten (sog. „Remanenzkosten“) sind von dem abgebenden Unternehmen zu tragen. Neben der Vergütung für Feiertage und Urlaub, für die kein Transferkurzarbeitergeld gewährt wird, muss das Unternehmen insbesondere die Mittel für eine üblicherweise im Sozialplan vorgesehene Aufstockung des Kurzarbeitergeldes – in der Regel wird eine Aufstockung auf 80% vereinbart – tragen und ein ausreichendes Budget für Qualifizierungsmaßnahmen zur Verfügung stellen. Ferner sind die Overhead-Kosten der Transfergesellschaft zu tragen.

IV. Die Kosten der Transfergesellschaft

Die Leistungen der Transfergesellschaft sind – trotz der erheblichen Förderung durch die Agentur für Arbeit – leider nicht zum Nulltarif zu bekommen. Allerdings bietet die Förderung durch die Agentur für Arbeit die Möglichkeit, mit verhältnismäßig geringen Eigenmitteln verhältnismäßig hohe Fördermittel zu generieren. Die Investition in eine Transfergesellschaft kann sich daher lohnen. Als Faustformel für die arbeitgeberseitig zu tragenden Kosten einer Transfergesellschaft gilt, dass zwei Monate Verweildauer eines Mitarbeiters in der Transfergesellschaft in etwa den Betrag kosten, der für einen Monat Beschäftigung dieses Mitarbeiters (Arbeitgeber-Brutto) anfällt.

Sollen die Restrukturierungsmaßnahmen im Betrieb mit sofortiger Wirkung umgesetzt werden und kann der Arbeitgeber daher „per sofort“ auf die Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer verzichten, kommt daher sogar die „kostenneutrale“ Gründung einer Transfergesellschaft in Betracht. In einem solchen Szenario kann der sofortige Wechsel in die Transfergesellschaft angeboten werden, so dass der Arbeitgeber von den „Kosten der Kündigungsfristen“ frei wird und die so „eingesparten“ Mittel zur Finanzierung der Transfergesellschaft einsetzen kann.

V. Die Vorteile der Transfergesellschaft

Die Einrichtung einer Transfergesellschaft bietet sowohl den betroffenen Arbeitnehmern, aber auch dem Arbeitgeber, erhebliche Vorteile:

Arbeitnehmer sind während der Laufzeit der Transfergesellschaft weitestgehend finanziell abgesichert, da in der Regel ein Bezug von 80% des letzten Nettogehalts ausgezahlt wird. Hinzu kommt, dass der Eintritt der Arbeitslosigkeit verhindert oder jedenfalls für die Laufzeit des Transferarbeitsverhältnisses verzögert wird. Da die Laufzeit der Transfergesellschaft in aller Regel deutlich über das Kündigungsdatum hinausreicht, ist dies ein wesentlicher Vorteil gegenüber dem Ausspruch von Kündigungen. Dieser Zeitgewinn kann für rentennahe Mitarbeiter auch als „Brücke in die Rente“ dienen.

Die Transfergesellschaft ermöglicht es den Betroffenen, sich aus einer bestehenden Beschäftigung auf einen neuen Arbeitsplatz zu bewerben. Ferner bietet die Transfergesellschaft verschiedene Weiterbildungsmöglichkeiten, die am Ausbildungsstand des Arbeitnehmers einerseits und dem Bedarf des Arbeitsmarktes andererseits orientiert sind. So werden die Einsatzmöglichkeiten der Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt gezielt verbessert und die Vermittlungschancen planmäßig erhöht. Eine mögliche berufliche Neuorientierung wird aktiv begleitet, wobei auch Wege in eine mögliche Selbständigkeit von der Transfergesellschaft gefördert und begleitet werden. Findet der Arbeitnehmer eine neue Arbeitsstelle, kann er das Transferarbeitsverhältnis jederzeit beenden oder – was meist auch vorgesehen wird – ruhend stellen, um eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsaufnahme zu ermöglichen. Stellt er das Transferarbeitsverhältnis zunächst nur ruhend, kann er (während der Laufzeit) in die Transfergesellschaft zurückkehren, falls das neue Arbeitsverhältnis scheitern sollte. Die Transfergesellschaft bietet dem Arbeitnehmer mithin flexible Lösungen.

Sollte es nach Ende der Laufzeit des Transferarbeitsverhältnisses zum Eintritt der Arbeitslosigkeit kommen, wirkt sich die Zeit in der Transfergesellschaft nicht negativ auf die Höhe oder Dauer des Arbeitslosengelds aus, d.h. es schließt sich der volle Arbeitslosengeldzeitraum an.

Neben dem Umstand, dass der Personalabbau sozialverträglich erfolgt und den betroffenen Arbeitnehmern eine wirksame Unterstützung angeboten wird, bietet die Einrichtung einer Transfergesellschaft auch für den Arbeitgeber selbst Vorteile, welche die zum Teil erheblichen Kosten gut rechtfertigen können: Da die Arbeitnehmer einvernehmlich in die Transfergesellschaft wechseln, werden der Ausspruch von Kündigungen und infolgedessen auch gerichtliche Auseinandersetzungen vermieden. Damit bietet die Einrichtung einer Transfergesellschaft dem Arbeitgeber die Chance, zügig ein hohes Maß an Rechtssicherheit zu erreichen und damit Ruhe und Frieden im verbleibenden Betrieb zu wahren. Zudem können Arbeitnehmer zeitnah und nicht erst nach Ablauf der Kündigungsfrist in die Transfergesellschaft wechseln, sodass Lohnfortzahlungskosten schon frühzeitig entfallen (und zur Finanzierung der Transfergesellschaft verwendet werden können). Gerade bei größeren Restrukturierungsmaßnahmen, die im Fokus der Öffentlichkeit stehen, mag auch die bessere Außendarstellung eine Rolle spielen.

VI. Fazit

Transfergesellschaften sind als Instrument für sozialverträgliche Restrukturierungsmaßnahmen aus einer Vielzahl guter Gründe etabliert, da sie für alle Beteiligten erhebliche Vorteile bieten und in besonderen Konstellationen sogar kostenneutral möglich sind. Angesichts der hohen Anforderungen, die an eine erfolgreiche Einrichtung der Transfergesellschaft gestellt werden, sollte ein entsprechender Prozess von Anfang an arbeitsrechtlich qualifiziert begleitet werden.

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